Über Bürgel

Die Bürgeler Geschichte

Quelle: "Alt-Offenbach", Neue Folge, Heft 22/23 (März 1990), Alfred Kurth, " 12 Jahrhunderte Bürgeler Geschichte im Überblick"

790, 793

Der Ortsname Bürgel wird im Kopialbuch des Klosters Lorsch anläßlich von Landschenkungen des Salacho und des Meizolf an das Kloster erstmalig als "Birgelen" und "Bergilla" genannt.

 

880

König Ludwig der Jüngere bestätigt durch Urkunde, daß sein Vater König Ludwig der Deutsche (843-876) der Salvatorkapelle in Frankfurt Schenkungen gemacht hat. Aufgeführt ist dabei auch "jenes Dorf, das Bürgel ('Pargilla') genannt wird, mit der Kirche und dem zugehörigen Zehnten, wie es Ruotker zu Lehen hatte".

 

882

Kaiser Karl der Dicke bestätigt ebenfalls urkundlich die Schenkung seines Vaters Ludwig des Deutschen an die Salvatorkapelle in Frankfurt mit dem Besitz in Bürgel.

 

977

Kaiser Otto II. bestätigt auf Bitte des Erzbischofs Willigis von Mainz die von Kaiser Karl dem Dicken für die Salvatorkapelle in Frankfurt ausgestellte Urkunde mit den von König Ludwig gemachten Schenkungen, darunter auch Bürgel.

 

1018

Kaiser Heinrich II. hält in Bürgel einen Hoftag.

 

1250

In seinem Kampf gegen die Staufer belagert der Gegenkönig Wilhelm von Holland die Burgen Oppenheim, Gelnhausen und Breghele (Bürgel) und zerstört sie.

 

1274

Die Herren Gottfried v. Eppstein der Jüngere und der Ältere amten als Vögte des Mainzer St. Petersstiftes in Bürgel. In einem komplizierten lehensrechtlichen Verfahren haben sie einen Teil ihrer Vogteirechte zu Bürgel an einen Ritter in Sachsenhausen weiterverliehen, der diese jetzt dem Petersstift zurückverkauft. Wann und wie dieses Petersstift in den Besitz von Bürgel gekommen ist, läßt sich nicht feststellen.

 

1320

Dekan und Kapitel des Petersstiftes zu Mainz erkennen an, daß das Patronatsrecht über die drei Kirchen in Offenbach, Bürgel und Bieber auf den Stiftsvogt Gottfried von Eppstein und seine Nachfolger übertragen wurde.

 

1339

Im Güterverzeichnis des Ritters Rudolf von Sachsenhausen wird eine ganze Reihe Bürgeler Flurnamen erstmals erwähnt.

 

1346

Kaiser Ludwig der Bayer befiehlt dem Erzbischof von Mainz, die Güter des Petersstiftes in Bürgel und andernorts dem Stift zurückzugeben.

 

1350

Bürgel besitzt wie viele andere Dörfer Burgrecht in Frankfurt, wo seine Einwohner in Kriegszeiten Zuflucht finden können. Die Gemeinde ist verpflichtet, bei der Instandhaltung eines Teiles der Frankfurter Stadtbefestigung mitzuwirken.

 

1385

Bürgel gehört mit elf Dörfern der Umgebung zu der freien bäuerlichen Genossenschaft der Biebermark, der die gemeinsame Nutzung der eigentümlich ausgedehnten Waldgebiete zwischen dem Main und dem Kloster Patershausen obliegt. An dem Markgericht zu Bieber wird Bürgel durch einen Schöffen vertreten.

1419

Schultheiß und Schöffen zu Bürgel bestätigen den Stiftsherren zu St. Peter in Mainz den Besitz von 19 Hufen (Höfe mit Zubehör) in Bürgel, von denen eine den Amtleuten dient.

1497

Das Petersstift vereinbart vertraglich mit dem Kurfürsten und Erzbischof zu Mainz, daß dieser die Oberhoheit in Bürgel ausübt.

1552

Bei der Belagerung Frankfurts durch Truppen der protestantischen Fürsten wird in Bürgel den Bauern das Vieh weggenommen. Bürgel verliert das Burgrecht in Frankfurt, da es seine Verpflichtungen bei der Unterhaltung der dortigen Befestigungen nicht erfüllt hatte.

1576

Bürgel bleibt in der Reformation katholisch. Es wird seelsorgerisch bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts als Filialgemeinde durch den Pfarrer zu Bieber betreut.

 

1620

Schon zu Beginn des dreißigjährigen Krieges wird Bürgel durch Truppen des Markgrafen von Baden geplündert und teilweise zerstört.

1632

Der Schwedenkönig Gustav Adolf erobert das Kurmainzer Gebiet des unteren Main und verschenkt Bürgel an seinen Obristen Christoph v. Houbald, der es an die Grafen von Isenburg weiterverkauft.

1638

Pest, Hunger und Krieg fordern schwere Opfer. in Bürgel zählt man noch 85 (in Mühlheim 44, in Bieber 26, in Lämmerspiel 8) Einwohner. Der Kurfürst von Mainz und das Petersstift üben wieder die Herrschaft aus.

1664

Wegen einer tätlichen Auseinandersetzung mit kurtrierischen Truppen, die auf dem Durchmarsch Verpflegung begehrten, wird die Gemeinde zu 1000, der Schultheiß Ohlig zu 200 Reichstalern Strafe verurteilt, die dann jedoch auf dem Gnadenweg erheblich ermäßigt wird.

1712

Der zerstörte Amtshof des Petersstiftes ist wieder aufgebaut. Die im Torbogen des Hofes angebrachte Jahreszahl das Jahr der Vollendung.

1714

Die umgebaute und renovierte Kirche wird durch den Mainzer Weihbischof und Scholasten des Petersstiftes Edmund v. Jungenfeld geweiht. Pfarrer Christian Schäfer ist von nun an nur noch für die Pfarrei Bürgel zuständig. Die Verbindung zur Pfarrerei Bieber wird gelöst.

1743

Truppendurchmärsche und Einquartierungen belasten immer wieder die Einwohner. Nach der Schlacht bei Dettingen wird in Bürgel ein Lazarett eingerichtet.

1773

Zum letzten Mal versammeln sich die Einwohner Bürgels, um einen neu ernannten Dekan des Mainzer Petersstiftes in althergebrachter Weise zu huldigen.

1796

Französische Truppen dringen ins Maingebiet vor. Einquartierungen, Brandschatzungen, Spanndienste und Umlagen belasten die Bevölkerung zwei Jahrzehnte lang.

1802

Im Vorgriff auf die Bestimmungen des § 19 des Reichsdeputationshauptschlusses überläßt der Kurfürst von Mainz dem Fürsten von Isenburg am 4. Oktober "das Dorf Bürgel bei Offenbach". Das Mainzer St. Petersstift wird durch ein französisches Konsulardekret aufgehoben.

1816

Nach der Niederlage Napoleons verliert der mit ihm eng verbündete Fürst von Isenburg sein Land. Das Ehemalige Fürstentum mit Bürgel untersteht ein Jahr der Verwaltung des Kaisers von Österreich, der dann durch Staatsvertrag das Oberamt Offenbach (mit Bürgel) an den Großherzog von Hessen-Darmstadt abtritt.

1817

Die Gemeinde Bürgel löst durch Zahlung von 31.425 Gulden und 11 Kreuzern an den Fürsten von Isenburg das diesem verbliebenen Zehntrecht ab. In den folgenden Jahren werden auch die übrigen aus dem Mittelalter stammenden Fronden und Abgaben durch Zahlungen abgegolten.

1819

Bei der Aufteilung der Biebermark erhält Bürgel einen Teil der Anzahl seiner Markgenossen entsprechenden Anteil. Der Gemeindewald liegt östlich der Grenzstrasse und erstreckt sich als schmaler Streifen im Westen von Bieber bis nach Heusenstamm. Wegen seiner weiten Entfernung vom Dorf bezeichnen ihn die Bürgeler als "Amerika-Wald".

1822

Die israelitische Gemeinde errichtet eine Synagoge.

1829

Bürgel zählt 871 Einwohner, (600 Katholiken, 38 Protestanten und 233 Israeliten), die in insgesamt 118 Häuser wohnen. Es gibt 54 Bauern, 28 Handwerker und 40 Taglöhner.

1837

In der Bürgeler Schule unterrichtet Lehrer Breunig allein 127 Kinder (54 Buben und 73 Mädchen). Neben dieser katholischen Schule besteht noch eine israelitische, wo Elias Birkenstein 37 Kinder unterrichtet.

1861

Ein schwerer Eisgang des Mains bedroht Bürgel. Die Gemeinde zählt 1.469 Einwohner.

1865

In Bürgel wird als erster Landgemeinde des Großherzogtums Hessen Gasbeleuchtung eingeführt.

1871

In 196 Häusern leben insgesamt 1907 Einwohner (1393 Katholiken, 284 Protestanten, 229 Israeliten, 1 "Sonstiger").

1877

Bei den Wahlen zum Deutschen Reichstag erhält der nationalliberale Kandidat Dernburg in Bürgel 53 Stimmen, W. Liebknecht (SPD) 207 und Racké (Zentrum) 141. Bei der erforderlich gewordenen Stichwahl gewinnt Dernburg den Wahlkreis Offenbach-Dieburg; in Bürgel stimmen jedoch nur 46 Wähler für ihn, 416 dagegen für Liebknecht.

Nachdem zu den drei katholischen Schulklassen noch eine evangelische Klasse eingerichtet wurde, entsteht in Bürgel eine Simultanschule.

1879

Bürgel wird zum Marktflecken erhoben und erhält die Erlaubnis, am Pfingstdienstag und Kirchweihmontag öffentliche Jahrmärkte abzuhalten.

1882

Bei einem schweren Hochwasser des Mains entstehen erhebliche Schäden. Vier Personen kommen ums Leben.

1884

An der Langstrasse wird ein evangelisches Bethaus eingerichtet. Zuvor (seit 1869) mußten die Protestanten Bürgels sonntags zum Gottesdienst nach Bieber gehen. Noch bis 1899 gehören sie zur "Filialgemeinde Bieber".

1885

Bürgel zählt 3.016 Einwohner.

1887

Der Ortsvorstand beschließt die Durchführung einer Flurbereinigung.

1889

In der Lehrstrasse wird ein zweigeschossiges Schulhaus mit vier Klassenräumen eingerichtet.

1897

Die neuerbaute katholische St. Pankratius-Kirche wird eingeweiht. Der alte gotische Turm bleibt erhalten.

1899

In der Stiftstrasse entsteht ein weiteres Schulgebäude mit acht Sälen.

1900

In 425 Häusern leben 4.687 Einwohner (2.990 Katholiken, 1.540 Protestanten, 149 Israeliten, 8 "Sonstige").

1906

Am 18. Oktober schließt die Gemeinde Bürgel mit der Stadt Offenbach einen Vertrag. Ihmzufolge wird die Eingemeindung Bürgels nach Offenbach "vollzogen an dem auf die Betriebseröffnung der elektrischen Bahn von Offenbach nach Bürgel folgenden 1. April".

1907

Am 20. Oktober wird die Strassenbahn von Bürgel zum Mathildenplatz in Offenbach in Betrieb genommen. Im November wird ein weiteres Schulhaus in der Stiftstrasse fertiggestellt.

1908

Im Februar wird Bürgel durch Hochwasser des Mains völlig von der Aussenwelt abgeschnitten. Mit der vollzogenen Eingemeindung nach Offenbach endet am 1. April die gemeindliche Selbständigkeit Bürgels.