Hintergrundinformationen zur Sanierung des Maindamms

80 Jahre hab ich sicher standgehalten / gegen Eises Druck und Wassergewalten.
Nun soll ich hinweg mit meinen Steinen / und ich darf nicht mal darüber weinen.
Der Portefellerdamm ruft!

Niederschrift über die Einsichtnahme in die Planungen des Regierungspräsidenten Darmstadt bezüglich:
„Sanierung der Winterdeiche am Main“ / Bereich: Offenbach-Bürgel bis Mühlheim / vom Juni 2003

Am Montag, den 24.01.2005:
Änderungspläne des Regierungspräsidenten zu o.g. Thema, Auslage in Raum 5A, Erdgeschoß Rathaus Offenbach

Am Mittwoch, den 26.1.2005:
Planungsunterlagen beim Umweltamt der Stdt Offenbach, VI Stock, Berliner Strasse 50-52

Übersichtszeichnung im Maßstab 1:5.000 / Juli 2003 beim städt. Umweltamt:
Die Planungsabschnitte sind wie folgt aufgelistet:
Abschnitte | Deichkilometer von | Deichkilometer bis
I | 1+860 | 2+240 | Offenbacher Strasse / von Pumpstation bis Trafohäuschen
II | 2+240 | 2+605 | entlang der Schöffenstrasse
IIa | 2+605 | 2+730 | das ist die Mauer vom ehem. Hau&Fecher-Haus bis zum Fährmannshäuschen
III | 2+730| 3+100 | vom Ockel bis zur Sparta

IV | 3+100 | 3+990 | von Sparta bis kurz vor Schultheißweiher
IVa | 3+990 | 4+200 | die Rampen vor dem Jüdischen Friedhof und um den Friedhof
V | 4+200 | 4+980 | um den Schultheißweiher herum
VI | 4+980 | 5+370 | bis zum Almenweg / Reiterhof

Nach Durchsicht aller Unterlagen, hier eine Liste der technischen Maßnahmen in Kürze:
Die Planungsabschnitte sind wie folgt aufgelistet:

Abschnitt I: Spundwand in Mitte des bestehenden Dammes mit Anschüttung ca. 80 cm hoch
II: Spundwand 3m vor der bestehenden Damm-Mauer, Sichthöhe 4,5m ohne Abdeckung, Durchgänge nach „Rückbau der Sandsteingewände“, Neubau in Beton
IIa: lt. Text: … „10-20cm“ ,,, höher als Bestand, Fugenverpressung, Bodennägel: das ist eine Rückwärtsverankerung, wie das Ganze dann aussieht, ist unklar
III: Komplettabtragung der Sandsteinbepflasterung auf der Wasserseite, „Rückbau“ aller Sandsteindurchgänge, Neuaufbau mit bindigem Schüttmaterial (Lehm+Sand-Gemisch) mit geändertem Böschungswinkel, der Dammfuß wird 4,5m nach vorne verschoben, Neubau der Durchgänge in Beton
IV: Vollabtrag des Dammes, Neuaufbau gem. Regelaufbau / alle Bäume sind weg
IVa: Spundwandabsicherung um die Auf- und Abfahrten herum
V: Abtrag des Dammes bis zu 70%, Neuaufbau gem. Regelaufbau, alle Bäume weg
VI: Einbau von zwei Überflutungsöffnungen, Aufbau eines hinterliegenden Polders
VII: Vollabtrag, neuer Regelaufbau, alle Bäume weg
VIIII: Spundwand in Dammkrone
IX: Spundwand vor bestehender Sandsteinwand
X: Teilabtrag des bestehenden Dammes, Neuaufbau „innerhalb des bestehenden Querschnitts“ und Aufsetzen von Beton-L-Steinen zur oberen Absicherung

Technische Notizen, Daten:
Bereich II: Oberkante der Spundwände ist +/-0.00, entspricht +100.34 über NN, die Abdeckung liegt auf 100.51, der Fuß der Spundwand ist mit -4,50m angegeben, dieser liegt ca. 1m über dem jetzigen Fahrrafweg, die Oberkante Gelände in der Schöffenstraße ist mir +98.94 notiert, die BWL-linie liegt auf 99.48.
III: Oberer „Angriffsweg“ von 3m Breite, Ausführung auf Schotteraufbau, 5m breiter Asphaltweg vor dem Dammfuß, dort entfallen alle Bäume
VII: Regelquerschnitt: BWL-linie auf +101.01, OK Spundwandabdeckung +101.81

Baustelleneinrichungsflächen sind straffiert im Index vermerkt, aber keine gefunden, wo sind die?
Baukorridore: deren Bedeutung und Auswirkung ist mir nicht verständlich

Offenbach, den 27.1.2004 / G.Plath, Am Maingarten 3

Neues um den Portefellerdamm: Ein Brief – eine Antwort
und die Umkehrung städtebaulich-geschichtlich signifikanter Merkmale in Bürgel werden betoniert.

Der Portefellerdamm verfügt über zwei grundsätzliche Eigenschaften:

1. die Grasnarbe vor dem Damm liegt auf gleicher Höhe wie die dahinterliegende Bebauung – das ist das städtebaulich Signifikante!
2. aus wirtschaftlichen Notgründen ist der Damm aus Sandstein gebaut (gerade nicht aus Beton!!) – das ist das geschichtlich Signifikante!

ERGO: Die Umkehrung städtebaulicher und geschichtlicher Eigenschaften werden durch die Deichsanierung betoniert.
ABER: Der Regierungspräsident hat einen außerordentlichen 2. Erörterungstermin eiberaumt! Diejenigen, die Einspruch erhoben haben dir dürfen daran teilnehmen.

Am 28.06.2005 ins Bürgerhaus nach Rumpenheim!

Abschrift des Schreibens vom Regierungspräsidium Darmstadt Abteilung Umwelt Darmstadt vom 25.05.2005 an Herrn Gerhard Plath

STAATLICHER WASSERBAU IN HESSEN
Hochwasserschutz durch Deiche
Sanierung der Main-Winterdeiche in Offenbach (Bürgel, Rumpenheim)
Ausführungsplanung PA IIa/III
Ihr Schreiben vom 20.04.2005

Sehr geehrter Herr Plath,

Ihr mit Schreiben vom 20.04.2005 vorgetragenes Anliegen habe ich zur Kenntnis genommen. Hinsichtlich Ihrer Fragestellungen und Anregungen habe ich die aktuelle Planung der Deichertüchtigungsmaßnahmen im Bereich der genannten Ausführungsabschnitte mit folgendem Ergebnis geprüft:

1. „Keine Verringerung des Retentionsvolumens“
Grundsätzlich ist eine Inanspruchnahme von Retentionsvolumen zu vermeiden. In der Gesamtplanung zur Sanierung der Deichsysteme Main-Ost (Planungsfeststellungsabschnitte Offenbach, Mühlheim, Dietesheim, Klein-Auheim) wurden übergreifende Bilanzierungen der Verluste und Gewinne von Retentionsvolumen durchgeführt. Wie bereits in den Planfeststellungsunterlagen ausführlich dargestellt, wurden anhand der geplanten Querprofile für den gesamten Planungsbereich Main-Ost in jedem Planungsabschnitt ermittelt, ob unterhalb des Bemessungswasserspiegels (BHW) infolge der vorgesehenen Maßnahmen Retentionsvolumen verloren geht oder hinzu gewonnen werden kann. Im Planungsfeststellungsabschnitt Offenbach wurde insgesamt Retentionsvolumen in Höhe von ca. 17.900 qm durch die Planungsmaßnahmen gewonnen, so dass Verluste an Retentionsvolumen in benachbarten Deichabschnitten kompensiert werden können. Bilanziert über alle vier Planungsfeststellungsabschnitte ergibt sich ein Überschuss in Höhe von ca. 13.700 qm. Darin berücksichtigt ist das infolge der wasserseitigen Verbreiterung im Planungsabschnitt 3 in Anspruch genommene Retentionsvolumen in Höhe von ca. 3.300 qm.

2. „Erhalt der Parkbäume“
Von der wasserseitigen Deichverbreiterung im Planungsabschnitt 3 sind 5 kleinere Bäume im Bereich zwischen den Deichtoren (2+730 – 2+840) und 3 größere Einzelbäume im Spielplatzbereich betroffen. Der Erhalt dieser Bäume ist bei der Realisierung der Deichertüchtigungsmaßnahme nicht möglich, da sich die Baumstandorte im Bereich der neuen Deichaufstandsfläche befinden. Unter Umständen ist ein lokaler Ausgleich durch Pflanzung von Bäumen in der Verlängerung der Alleen-Bäume im Mainvorland zu erreichen. Hierzu ist das Einvernehmen der Stadt Offenbach als Eigentümerin der Fläche zu suchen.

3. „Geringere Kosten für Wiederherstellungsarbeiten“ „keine Grundstückskosten für Ankaufsflächen“
Im Rahmen der Vorplanung wurden mehrere Sanierungsvarianten geprüft und nach einheitlichen Bewertungskriterien verglichen. Im Rahmen dieser Bewertung wurden auch die Kosten für den Grunderwerb berücksichtigt. Im Vergleich zu den baulichen Aufwendungen der übrigen Varianten im Planungsabschitt 3 fielen die Grunderwebskosten für die Vorzugsvariante (ca. 25.000 EUR) gering aus. Die Aufwendungen für den Rück-/Umbaus des Spielplatzes gehen zu Lasten der Stadt Offenbach. Bei der Errichtung des Spielplatzes ging die Stadt das vertraglich fixierte Risiko ein, dass im Falle einer Deichsanierung der Spielplatz unter Umständen auf eigene Kosten zurückzubauen sei. Diese Kosten gehen daher nicht in die Variantenbewertung ein.

4. „Geringere Straßenbau-Asphaltflächen“, „geringere Abbruchkosten“, „weniger Aufschüttmaterial“
Der 5m breite Asphaltweg stellt den jetzigen Zustand zwischen den beiden Deuchtoren im Planungsabschnitt 3 nach der Deichertüchtigunsmaßnahme (Verbreiterung) wieder her. Im Zuge des Kostenvergleichs wurde berücksichtigt, dass das vorhandene Böschungspflaster wieder verwendet werden könnte. Trotzdem führt der Aufwand für eine Sanierung des Pflasters (Ausbildung eines unter der Pflasteroberfläche liegenden Keils aus wasserundurchlässigem Beron zur Erreichung der erforderlichen Standsicherheit und als Schutz gegen zu starke Durchsickerung (schwache Verdichtung des vorhandenen Dammes) zu erheblichen Mehrkosten gegenüber der Vorzugsvariante, so dass die „Mehrmassen“ fürAufschüttung der Straße mehr als aufgewogen wurden.

5. „Mehraufwand alte Sandsteine“
Von einer Instandsetzung der Deichtore wurde aus mehreren Gründen Abstand genommen. Die vorhandenen Torpfeiler weisen teilweise auf:
– Risse in den Fugen
– seitlicher Versatz einzelner Steine bzw. Steinlagen.
Die Tore besitzen veraltete und uneinheitliche Systeme für den mobilen HW-Schutz im Hochwasserfall. Hier ist ein System nach dem Stand der Technik und aus Gründen der Logistik und der Sicherheit im Einzelfall ein einheitliches System für alle Tore im Stadtgebiet anzustreben. Die Standsicherheit der erhöhten Pfeiler müsste nachgewiesen werden. Hierzu wären an jedem Pfeiler mehrere Kernbohrungen und Schürfe durchzuführen, um Annahmen für die statische Berechnung hinsichtlich der Kraftschlüssigkeit des Mauerwerks und der Gründungssituation treffen zu können. Insgesamt wäre ein relativ hoher Aufwand zu betrieben, um eine abgesicherte Beurteilung der vorhandenen Bausubstanz abgeben zu können. Im übrigen ist die erreichbare Sicherheit der umgebauten Deichtore nicht vergleichbar mit dem Sicherheitsniveau, das im Zuge des geplanten Deichtorneubaus nach dem Stand der Technik zu erzielen ist.

6. Beigelegte Skizzen
Die erste Skizze zeigt einen Deichaufbau mit Spundwand im Dammkern bei Erhaltung der wasserseitigen Pflasterböschung. Diese Variante wurde ebenfalls im Rahmen der Vorplanungen untersucht, erhielt jedoch insbesondere aus Kostengründen in der vergleichenden Gesamtbewertung ein schlechteres Gesamtergebnis. Die zweite Skizze zeigt einen Deichaufbau mit wiederverlegtem Pflaster auf einer Betondecke unter der wasserseitigen Böschung. Diese Variante, aus statischen Gründen aufwendiger als hier skizziert (siehe Erläuterungen zu Pkt. 4), wurde ebenfalls im Rahmen der Vorplanungen untersucht. Sie erhielt in der vergleichenden Gesamtbewertung das gleiche Gesamtergebnis, war jedoch mehr als doppelt so teuer wie die Vorzugsvariante. Die dritte Skizze zeigt einen Sanierungsvorschlag für den Deichtorpfeiler aus Sandstein. Hierzu siehe bitte die unter Punkt 5 gemachten Ausführungen.

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen weiter geholfen zu haben und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

R. Franke

Abschrift des Schreibens von Herrn Gerhard Plath vom 20.04.2005 an das Regierungspräsidium Darmstadt Abteilung Umwelt

Betr.: Ihr Zeichen […]
Sanierung der Winterdeiche in den Gemarkungen Bürgel – Rumpenheim
Hier: 2. Erörterungstermin

Sehr geehrter Herr Wolfgang Zwach,

in Ihrem Schreiben vom 15.04.2005 sind die Sanierungs-Abschnitte Iia und III ausdrücklich nicht erwähnt. DIese Abschnitte beinhalten jedoch den Kern des sog. „Portefellerdammes“. Dieser Portefellerdamm umfaßt die Sanierungsbereiche innerhalb der Gemarkung Bürgel: Abschnitte I bis V. Wenn auch dieses wasserbautechnische Bauwerk nicht in der Liste hessischer Baudenkmäler aufgelistet ist, so ist es doch ein einzigartiges bauliches Denkmal des Hochwasserschutzes und ein einzigartiges Dokument der Zeitgeschichte in unserem Hessenlande. Ich habe versucht, die Einzigartigkeit in beiligendem Aufsatz zusammenzufassen.

Vielleicht besteht die Möglichkeit, die Sanierungsplanung insbesondere für den Abschnitt III aus dem Blickpunkt einer Würdigung dieses Bauwerkes neu zu überdenken.

Anbei einige Skizzen, die Sanierungsmöglichkeiten unter Beibehaltung der Sandsteinpforte und des schrägen Steindammes aufzeigen. Der Erhalt dieses Baudenkmales ließe möglicherweise einige technische und kostenrelevante Aspekte in einem neuem Licht erscheinen:
– keine Verringerung des Retentionsvolumens
– Erhalt der Park-Bäume
– Geringere Kosten für Wiederherstellungsarbeiten (z.B. Kinderspielplatz)
– Keine Grundstückskosten ffür Ankaufsflächen (Sparta)
– Geringere Strassenbau-Asphaltflächen (die 5m breite Asphaltstrasse)
– Geringere Abbruchkosten
– Geringere Mengen für neues Aufschüttmaterial
– Wohl aber Mehraufwand im Umgang mit den alten Sandsteinen.

In der Hoffnung, daß diese Lektüre nicht langweilt, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

G.P./20.4.2005

Der Portefellerdamm in Offenbach-Bürgel – Versuch einer historischen Bestandsaufnahme (von Gerhard Plath)

Portefeller:
Der im Volksmund so benannte Portefellerdamm bezieht seinen Namen von den vielen arbeitslosen Portefellern, die beim Bau des Dammes 1920/25 beschäftigt wurden. Der Portefeller ist ein Beruf in der Lederwarenindustrie: Der Feintäschner (Portefeuille=Brieftasche). Die Lederherstellung und Verarbeitung war der bedeutendste Gewerbezweig des Offenbachs im 19. Jahrhundert. Das Deutsche Ledermuseum hat nicht ohne Grund seinen Sitz in Offenbach.

Lage:
Der Portefellerdamm beginnt mit dem Sanierungsabschnitt I bei Deichkilometer 1+860 und endet bei Abschnitt IVa km 3+200. Die Länge in Deichkilometer beträgt 3,340 km. Er beginnt und endet jeweils an den Gemarkungsgrenzen von 1920 nach Offenbach bzw. Rumpenheim.

Konstruktive Ausbildung:
Schräger Steindamm von Offenbach bis Beginn Schöffenstrasse (Material: Sandstein, verlegt in Quadertechnik / Böschung 1:1), danach Kombination eines begrünten schwägen Steindammes mit einer Mauer in Zyklopentechnik (Material Tuffstein) bis Ende Schöffenstrasse, um die Niedergasse herum bis Strasse „Am Maingarten“: vertikale Mauer in Quadertechnik (Material: Sandstein/Stampfbeton als Stützwand landseitig), als schräger Steindamm bis kurz hinter Stiftstrasse/Sparta/km 3+100 (Material Sandstein), als Erddeich bis Jüdischem Friedhof (Material: Grasfläche / Böschung 1:2). Alle Deichpforten in gemauerter Sandsteinquadertechnik mit Doppelnuten zur Verbohlung um Lehmverfüllung.

Sandstein/Beton:
Beim Anblick dieses fast komplett aus Sandstein gemauerten Dammes fällt einem kein Unterschied zum Offenbacher Damm auf. Der Portefellerdamm wurde jedoch 50 Jahre später gebaut als der Offenbacher Damm. Man fragt sich, ob die Zeit stehen geblieben ist, da der Betonbau schon seit 1906 nach DIN-Normen errichtet werden konnte, das Monier-Patent aus Frankreich zuerst von einer Offenbacher Firma aufgekauft wurde, bevor C. Freytag (später Wayss&Freytag) die Lizenz erwarb, überdies 1879 die Cementfabrik Feege&Gotthardt anläßlich der Landesgewerbeausstellung die einmaligen Betonskulpturen im Dreieichpark erstellte.
Die Antwort liegt in den zeitgeschichtlichen Umbrüchen während der Planung und dem Bau dieses Dammes.

Politische Umbrüche:
Bis 1866 trennte eine Landesgrenze Rumpenheim von Bürgel und Mühlheim. Der Offenbacher Damm war 1883 fertiggestellt. Zu Beginn der Grundlagenermittlung der Deichverlängerung über Bürgel-Rumpenheim-Mühlheim im Jahre 1895 waren diese Gemeinden selbständig und unterstanden direkt dem Großherzogtum Darmstadt. Diese Grundlagenermittlung umfaßte eine sorgfältige geometrische und tachymetrische Vermessung, der Hochwasserschlauch zwischen Rodgau und Kuhmühlgraben wurde als problematischster Aspekt erkannt. Diese Grundlagenermittlung dauerte 13 Jahre, ein Vermessungswerk aus 3 Ordnern mit 97 Plänen wurde 1908 übergeben. Am 1.4.1908 wurde Bürgel nach Offenbach eingemeindet. Der Bürgeler Bürgermeister Lammert wurde Ortsvorsteher in Offenbach. Schnell wurde erkannt, daß für die weitere Planung die Gründung eines übergeordneten Deichbauverbandes eine unabdingbare Voraussetzung war, um nachbarschaftliche Widerspenstigkeiten einordnen zu können. Die Geländevermessung ergab nämlich, daß das ehemals preußische Rumpenheim auf einem Höhenrücken lag, während Bürgel sich in einer Senke versteckte, wohingegen sich der Hochwasserschlauch in Mühlheim über die Rodau Platz verschaffte. Keine der Gemeinden konnte sich den Dammbau auf eigene Kosten finanzieren, dazu waren sie zu klein. Querelen aller Art verzögerten die Gründung dieses Deichbauverbandes. Der 1. Weltkrieg unterband diese Auseinandersetzungen für 4 Jahre. Mit Ende dieses Krieges verschwanden auch die politischen Strukturen. Das Kaiserreich und damit die Zeit des Großherzogtums Darmstadt war vorbei, die neue Republik mußte sich eigene Verwaltungsstrukturen aufbauen. Bezüglich des Dammbaues traten nun drei Personen in das politische Rampenlicht: der ehemalige Bürgeler Bürgermeister Caspar Lammert, der Offenbacher Bürgermeister Weil und der Landtagsabgeordnete Eißnert. Diese drei Herren brachten das Kunststück fertig, innerhalb von 9 Monaten den Deichbau im hessischen Landtag zum 2.9.1920 durchzusetzen (siehe Anhang 3Männder+9Monate). Am 28.11.1920 wurde mit dem Deichbau begonnen.

Wirtschaftliche Umbrüche:
Der Warentransport über den Main hat eine lange Tradition: Flösser und Leinreiter bestimmten das Bild, bis 1841 die „Main-Dampfschiffahrt-Gesellschaft“ gegründet wurde. Der Main wurde für die aufkommende Dampfschiffahrt von störenden Untiefen „befreit“, der Kaierlay wurde 1852 weggesprengt. Ab 1886 lag eine Kette in der Flußmitte, von Mainz bis Aschaffenburg schleppte die dampfmaschinengetriebene „Maakuh“ unter Gerassel und Getöse Lastkähne flußauf und flußab. Anzeichen eines erhöhten Frachtaufkommens zu Wasser. Erst 1935 lösten Frachter mit Dieselmotoren die Maakuh ab. Die 1887 errichtete feste Brücke über den Main erleichtere den Warentransport Nord-Süd unter Umgehung des teuren Frankfurter Zolls. Die Stadt Offenbach war ab 1893 durch einen Damm vor Hochwasser geschützt. Die Gebietserweiterung nach Osten (Eingemeindung Bürgels) für gewerbliche Nutzungen war nicht möglich, da die Gefahr von Betriebsüberflutungen im Hochwasserfall bestand. Die Beschäftigtenzahlen in der Offenbacher Lederindustrie nahm kontinuierlich von 5000-6000 (1868) bis auf 12.000 (1914) zu. Die Lederwerke Becker in Bürgel stellten 1909 auf Chromgerbung um. Erhöhter Umsatz und die neue Gerbtechnik verursachten höheren Wasserverbrauch, ein Wasserturm wurde errichtet. Wegen der Nähe zum Main mußte bei Hochwasser die Produktion aber stillgelegt werden. Die zunehmenden Linien der öffentlichen Verkehrsmittel (Linie 26 für Bürgel) erlaubten es der Arbeiterschaft in weiter entfernten Fabriken in Anstellung zu gelangen. Mit Ende des 1. Weltkrieges traf die wirtschaftliche Depression die Lederindustrie besonders hart. Die Produktion wurde gegen Null gefahren, fast alle Arbeiter wurden entlassen.

Technische Umbrüche:
Mit der Entwicklung des „Eisenbetons“ (Monier) nahm eine neue Bautechnologie ihren Weg. Die Kalkstollen um den Bieberer Berg erlebten eine Wiedergeburt, die Cementfabrik Feege&Gotthardt aus Offenbach errichtete die aufsehenerregenden Betonskulpturen anläßlich der Landesgewerbeschau 1879, die noch heute im Dreieichpark zu bewundern sind. Das Monierpatent wurde zunächst nach Offenbach verkauft (Fa. Lebasseau/1884), bevor C. Freytag (Wass&Freytag) es erwarb. Der Stahlbeton wurde berechenbar, ein Ausschuss für Eisenbeton gründete sich 1907 in Berlin, die ersten DIN-Norm wurde 1916 verfaßt. Der Eisenguß trat in neue Technologien ein (Thomasbirne), das Herstellen von Spundwänden war Dank einer Erfindung von Larssen ab 1902 möglich. Die Nutzung elektrischen Stromes (Siemens/Berlin) eröffnete gänzlich neue Wege nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Mobilität. So konnte die erste elektrische Straßenbahn der Welt von der F.O.T.G. 1884 zwischen Frankfurt und Offenbach in Betrieb genommen werden. 1908 erfolgte der Anschluß von Bürgel mit der Linie 26. Es wurde das städtische Wasserwerk gegründet und das Elektrizitätswerk entstand. Das erste elektrische Licht brannte 1879. EIn neues Werk wurde 1910 errichtet und auf Drehstrom umgestellt. Der Offenbacher Hafen wurde gebaut und die Hafenbahn in Betrieb genommen. Die Industriebahn folgte erst 15 Jahre später 1919.

Der 1. Weltkrieg:
Gegen Kriegsende stoppte diese aufstrebende wirtschaftliche Entwicklung. Zwischen 1914 und 1918 ruhte auch jegliche Planung des Deichbauverbands. Strim war 1918/1920 mangels Kohle nur äußert beschränkt lieferbar, auch die Zementindustrie litt unter Kohlemangel, so war die Herstellung von Betonbauwerken nicht nur zu teuer, sondern mangels Zement nicht möglich. Die Lederwarenindustrie brach nach dem Krieg komplett zusammen. Die aus dem Krieg zurückkehrenden Portefeller fanden keine Arbeit, die bei der Produktion von Rüstungsgütern (Tornister, Stiefel, etc.) in der Lederwarenindustrie eingesetzten Arbeiter wurden entlassen. Die hohen Arbeitslosenzahlen lasteten schwer in den Bilanzen der Kommunen, welche in dieser Zeit aber auch Aufruhr und Aufstände befürchteten.

Zusammenfassung:
Nur vor diesem geschichtlichen Hintergrund sind die Sandbausteinwerke des Portefellerdammes zu verstehen. Offenbach war auf der Höhe aller technischen Errungenschaften. Ja, in manchen Bereichen sogar führend (Strom, Zement, Druck, Schrift, Leder). In Zeiten tiefster wirtschaftlicher Depression wurde dieses Schutzbauwerk errichtet, indem auf Bautechniken des vergangenen Jahrhunderts zurückgegriffen wurde und den arbeitslosen Portefellern Arbeit beschafft wurde. Für den Bau wurden weder Strom, Kohle, Zement oder Stahl benötigt. Die heute noch sehr gut erhaltenen Sandsteine dokumentieren den unbändigen Aufbauwillen dieser Zeit. Dieses Bauwerk hätte eine Würdigung als Symbol des Aufbaues in Zeiten tiefster Depression verdient. Nicht zu vergessen ist die Arbeit der beteiligten Deichbauingenieure. Es war ja nicht nur einfach ein Damm zu planen, die Sanddünen des Mainvorgeländes erlauben Unterspülungen, der Hochwasserschlauch brachte Wasser „von hinten“, all dies wurde damals auch schon mit Retentionsvolumina und hydrostatischen Belastungsfällen berechnet. Un der Damm hielt bis heute allen Hochwassern stand. Diese ingenieurtechnische Leistung nötigt Respekt ab. All dies vor dem politischen Hinergrund des zusammenfallenden deutschen Kaiserreiches, in den ersten Monaten der neuen Republik und ohne eingefahrene Verwaltungsstrukturen. In Anerkennung ihrer Verdienste sollten die Profile der Herren Lammert – Weil – Eißnert eigentlich – in Sandstein gemeißtelt – am Damm verewigt werden.

aufgestellt: Offenbach, den 20.04.2005 / Gerhard Plath

Verwendete Literatur:
– Wolfgang Jäger: VOm Handwerk zur Industrie/Entstehung und Entwicklung des Ledergewerbes in Offenbach am Main / Deutsches Ledermuseum 1992
– Festschrift: 1200 Jahre Bürgel / Kulturverein Bürgel e.V: / 1990
– Festschrift: 1000 Jahre Offenbach / Offenbacher Geschichtsblätter Nr. 26 und 27 / Offenbacher Geschichtsverein / 1977
– Alfred Kurt: Offenbacher Regesten/Fakten, Daten, Texte, Bilder zur Geschichte von Offenbach a.M. 977-1900 (Offenbacher Geschichtsblätter Nr. 36
– Manuel Cuadra: RheinMainRegionale/Der Ballungsraum Frankfurt auf dem Weg zum Kulturraum/Akademie der Architektenkammer Hessen/2002
– Grevereus, Sukowski u.a.: Überquerungen, Perspektiven anderer Mainufer/Unterstützt von: Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst – Regierungspräsidium Darmstadt / 2000
– Hans Schmid: Offenbach – so wie es war / Droste Verlag / 1978
– Magistrat der Stadt Offenbach: Auswahl erhaltenswerter Ensemble, Gebäude und Objekte in Offenbach am Main / Dezernat VI / 1979
– Karl Nahrgang: Die Bodenfunde der Ur- und Frühgeschichte im Stadt- und Landkreis Offenbach am Main / Kramer Verlag Frankfurt / 1967
– Akte Stadtarchiv der Stadt Offenbach am Main: Abt. 26/8/2 Kom.: 3 Fasz.: 1.743 / 1
– Josef Wingenfeld: Offenbach am Main -Straßen und Plätze / Bintz-Verlag / 1879
– Stadtwerke Offenbach GmbH: Hundert Jahre gut gefahren, Hundert Jahre Straßenbahn in Offenbach / Stadtwerke Offenbach / 1984
– Maximilian Krafft: Die Chronik der Städtischen Straßenbahn in Offenbach / Seite 62-79 / vom Verfasser überreicht
– Pet er Lorentzen: Das Heizkraftwerk der Energieversorgung Offenbach AG / EVO / o.D.
– Ludwig Braunfels: Die Mainufer und ihre nähere Umgebung / Verlag Lothar Borowski / Nachdruck

3 Männer und 9 Monate: Kurzübersicht der Akte im Stadtarchiv (ca. 400 Seiten + Pläne)

1909
Kostenschlüssel Offenbach/Bürgel von 1909: 166.875 / 138.125 (RM)

1909 – 1916
lebhafter Schriftwechsel / Rumpenheim lehnt dauernd die Bürgeler Vorschläge ab / Ziel war ein Deichbauverband

Januar 1920
Denkschrift C. Lammert: Anläßlich des Hochwassers zu Bürgel

15.01.1920
Bürgeler Resolution in Sütterlinschrift: Forderungskatalog für den Notfall, wenn der Damm nicht gebaut wird.

26.01.1920
„man solle doch mit den vielen Arbeitslosen einfach anfangen, den Damm zu bauen …“ / Bürgermeister Weil

24.02.1920
Alternative. Hochwassersteg, Rumpenheim 1,5m breit / Bürgel 4m breit / beides zu teuer / abgelehnt

18.06.1920
Kosten für Bürgel: 2.014.500 RM

28.07.1920
Dammbaugesetz: „… hat eine Arbeitslosigkeit verursacht … Arbeit zur verfügung gestellt wird.“

05.08.1920
Beschluß Hessischer Landtag (Befürworter Eißnert/Weil/Lammert): Dammbau zum Zwecke produktiver Arbeitslosenfürsorge

02.09.1920
Mittelbereitstellung des Landtages: 1.900.000 RM für Materialeinkauf, Gründung von Demobilmachungsausschüssen

28.11.1920
Baubeginn mit 110 Erwerbslosen und 35 Stammarbeitern

17.02.1920
Bürgel hat schon die Erdaufschüttungen bewätigt / in Rumpenheim noch kein Handschlag

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